Warum man Wikipedia-Artikeln nicht blind vertrauen sollte

Wikipedia steht aktuell (2019) auf Platz 5 der weltweit am häufigsten besuchten Websites [1]. Die Seite ist oft die erste Anlaufstelle um sich über ein Thema zu informieren. In Suchmaschinen ist Wikipedia nicht selten an erster Stelle, wenn man nach einem bestimmten Thema sucht, für das es einen Wikipedia-Artikel gibt.

Wikipedia hat für sich den Anspruch unabhängig und neutral zu sein. Aber wie vertrauenswürdig ist Wikipedia wirklich? In diesem Blog Beitrag möchte ich auf das Thema genauer eingehen.

Problem: Manipulation

Bei Wikipedia kann sich jeder beteiligen, anonym oder mit Klarnamen. Das hat Vor- und Nachteile: Ein Vorteil ist, dass sich dadurch sehr viel Autoren weltweit zu vielen Themen einbringen können. Der Nachteil ist allerdings, dass nicht bekannt ist, welche Qualifikationen die Autoren mitbringen und ob es Eigeninteressen gibt. Durch die Offenheit gibt es immer wieder Versuche, Wikipedia-Artikel zu manipulieren. Die Interessen sind dabei unterschiedlich: Kommerziell (Konzerne, PR Agenturen), politisch/geopolitisch (Regierungen, Geheimdienste, Aktivisten u.a.)

Manipulationen aus kommerziellen / PR Gründen:

Manipulationen durch Geheimdienste: S. Artikel auf reuters.com

Manipulation durch Schweizer Bundesbeamte: S. Artikel auf heise.de

Manipulation aus politischen/geopolitischen Gründen: Unterschiede bzgl. Ereignissen/Kriegen in verschiedenen Sprach-Versionen der Wikipedia – siehe Artikel auf newscientist.com

Fehler: Im Wikipedia Artkel von Karl-Theodor zu Guttenberg hat ein anonymer Autor den Vornamen „Wilhelm“ eingefügt. Der Fehler fiel lange nicht auf und viele Medien haben ihn aus Wikipedia übernommen. Weitere Wikipedia-Fehler auf wdr.de

Artikel zu Elektrosensibilität

Im Wikipedia Artikel „Elektrosensibilität“ steht „Studien können die behauptete Elektrosensibilität beim Menschen mehrheitlich nicht belegen.“ Es wird das typische Mantra wiederholt, das aber den Ergebnissen von unabhängiger Forschung widerspricht: „Das Schädigungspotenzial Letzterer auf alle Lebewesen ab einem bestimmten Schwellenwert ist seit Jahrzehnten zweifelsfrei belegt.[17] Für die oben angesprochenen athermischen Wirkungen gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.“

Die Änderungshistorie des Wikipedia-Artikels zeigt, dass Inhalte, die anders behaupten, keine große Chance haben. Im Wikipedia Artikel fehlen Studien wie von Dr. Magda Havas, die in einem Doppel-Blindversuch die Auswirkung auf den Herzschlag nachweisen konnte – Video auf YouTube zur Studie

Ähnlicher Fall: Artikel Stephen Meyer / Intelligent Design Theorie

Die ersten fünf Jahre des Artikels über Stephen C. Meyer war er noch „an advocate of the scientific principle of intelligent design“. Seit 2016 wird immer wieder versucht, intelligent design als „pseudoscientific“ darzustellen „…is an advocate of the pseudoscientific principle of intelligent design.

Der Satz ändert sich immer mal wieder. Der Text wurde erst kürzlich wieder geändert am 23.8.2019.

Einige gute Kommentare dazu in der Änderungshistorie des Artikels:

  • 10:49, 24 March 2017‎ Intelligent Design is not a „pseudoscience“ as some other, clearly uninformed and biased, individual added. Meyer’s work has been published in a number of scientific, peer-reviewed journals. Let’s keep Wikipedia objective and informative
  • 19:19, 15 August 2017‎  The superimposition of the tag „pseudo-science“ on every theory that is not currently dominant in the academy is a biased and unacceptable practice.

Im Wikipedia Artikel „Intelligent design“ wird auch von „pseudescience“ gesprochen: Intelligent design (ID) is a pseudoscientific argument for the existence of God, presented by its proponents as „an evidence-based scientific theory about life’s origins“.

Die Wikipedia Autoren nehmen also für sich in Anspruch definieren zu können, was wissenschaftlich ist und was nicht. Alles was in der akademischen Welt nicht verbreitet ist, wird in der Wikipedia offensichtlich gerne als Pseudo-Wissenschaft bezeichnet oder gar nicht erst zugelassen (wie bei dem Artikel über Elektrosensibilität – s. oben).

Fazit

Wenn es die Wikipedia vor hundert Jahren gegen hätte, würde der Eintrag zu Asbest wohl genauso wenig über die Gefahren für die Gesundheit enthalten wie eine Enzyklopädie zu dieser Zeit – wie zum Beispiel im Brockhaus Konversations-Lexikon von 1898, Vierzehnte Auflage, Erster Band, Seite 964f (archive.org)
Die Wahrheit über die Gefahren der aktuellen Drahtlos-Technik wird man bei Wikipedia wohl erst erfahren, wenn es – wie bei Asbest – schon zu spät ist.

Wenn man also wissen möchte was die Mehrheit der Bevölkerung bzw. Wissenschaftler zu einem bestimmten Thema sagt, ist man bei Wikipedia an der richtigen Stelle. Im Fall der Elektrosensibilität, sind die Wissenschaftler, die unabhängig forschen in der Minderheit (z.B. Professor Dr. Franz Adlkofer oder Professor Lennart Hardell). Auf deren Forschung und Aussagen  wird im Artikel über Elektrosensibilität nicht eingegangen – s. oben).

Wikipedia kann also sehr hilfreich sein und hat auch viele hochwertige Inhalte. Man muss Wikipedia-Artikel  – wie bei anderen Online-Angeboten allerdings – immer kritisch hinterfragen und sollte nicht alles was dort steht ungeprüft als Fakten ansehen (bzw. als objektiv und neutral). Nur weil es zu einem Thema mehrheitlich eine bestimmte Meinung gibt, bedeutet nicht automatisch, dass diese korrekt ist. Mehrheiten sind kein guter Indikator für die Wahrheitsfindung – Dazu reicht ein Blick in die Vergangenheit (Beispiel Asbest, Allergien etc.).

Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.
(Jean Cocteau)

Sonstiges

  • Interessanter Bericht eines Insiders bzgl. PR-Manipulation: „Ich habe für eine Agentur Wikipedia-Beiträge manipuliert“ – vice.com
  • Für technisch versierte: Text Analyse mittels Browser Erweiterung: https://f-squared.org/whovisual – Damit kann u.a. visualisiert werden, welcher Autor welchen Artikel-Text geschrieben oder bearbeitet hat.
  • Wikipedia Organisationsstruktur (Admins, Sichter, Autoren)

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia

Bildnachweis:

  • Blogpost-Bild: Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. Auflage von 1896: Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0, zugeschnitten

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